So kämpft die Kirche in Sachsen gegen die AfD

Sächsische Pfarrer engagieren sich gegen die AfD. Dafür werden sie kritisiert,

 

auch aus den eigenen Reihen. Doch sie zeigen Gesicht.  Katharina Rögner (epd)  --- 28.06.2024 

Die Regenbogenfahne an der Marienkirche im sächsischen Pirna hat für Wirbel gesorgt. Das Symbol für die Freiheit sexueller Orientierungen hing im Mai erstmals an dem bekannten Sakralgebäude. Zuvor hatte Pirnas parteiloser Oberbürgermeister Tim Lochner (er gilt als AFD-nah) das Hissen der bunten Fahne vor dem Rathaus verweigert. Er begründete seine Entscheidung mit dem Neutralitätsgebot.

Das Agieren der Kirchgemeinde anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit bezeichnete Lochner als „billige politische Einmischung“ und zog darüber hinaus NS-Vergleiche.

Pirna: AfD-Mann treibt Spaltung voran

Mit einer solchen Reaktion hatte der Pirnaer evangelisch-lutherische Pfarrer Cornelius Epperlein nicht gerechnet. Die Gemeinde habe „schlicht und einfach den Platz bieten“ wollen, sagt er. Angefragt wurde sie vom Verein CSD Pirna. Für das Hissen der Fahne habe die Gemeinde viel Anerkennung aus der Stadtgesellschaft erhalten, sagt Epperlein. Es habe aber auch einen Kirchenaustritt gegeben.

Der Eklat um die Fahne ist nur ein Ereignis unter zahlreichen anderen, in denen Kirchgemeinden herausgefordert sind – in Sachsen und überall dort, wo rassistische und menschenverachtende Statements abgegeben werden. In Pirna treibt Lochner, der für die AfD angetreten war und seit Februar Oberbürgermeister ist, die gesellschaftliche Spaltung offenbar weiter voran.

So etwa lautete ein Kommentar unter einem Post von Lochner: „Dem Pfarrer nur noch 9 mm.“ Epperlein hat Anzeige erstattet. „Wir wollen nicht über jedes Stöckchen springen“, sagt der Pfarrer, „aber wenn sie so hoch hingehalten werden, dass es bis zum Mordaufruf geht, können wir das nicht ignorieren.“ Für ihn sei es Evangelische zeitung„eine Selbstübung, sich nicht von allem aufregen zu lassen, aber dort, wo bestimmte Grenzen überschritten werden, eben auch nicht zu schweigen“.

Sebnitz – wo 40 Prozent AfD wählen

Ähnlich sieht das auch der evangelische Pfarrer Lothar Gulbins im etwa 30 Kilometer entfernten Sebnitz, mitten in der Touristenregion Sächsische Schweiz. Gemeinsam mit seinem Kollegen aus dem benachbarten Hohnstein, Sebastian Kreß, hat er die Gesprächsreihe mit dem Titel „Ohne Schubladen“ initiiert. Sie soll den Dialog fördern – in einer Region, in der bei der jüngsten Europawahl 39,5 Prozent die AfD wählten.

 

Für den Austausch von Argumenten brauche es eine offene Atmosphäre, sagt Gulbins. Dies könne Kirche herstellen. Es lohne sich, „heikle Themen anzusprechen und Räume zu öffnen“. „Ohne Schubladen“ veranstalten die beiden Pfarrer zudem gern außerhalb der Kirchräume, sie wollen Schwellenängste abbauen.

Friedensgebete in Kirche

Kreß findet, dass viele Menschen auch „ein stückweit hilflos sind“. Es werde nicht mehr so oft miteinander geredet, nur noch übereinander – das sei ein großer Verlust. Dabei spiegelten ihm Gespräche immer zurück, „was hier brodelt“. Eine „Strategie der Abgrenzung“ sei daher nicht wirklich zielführend, sagt Kreß.

„Wir müssen nicht in allen Dingen einer Meinung sein“, sagt Gulbins. Aber es gebe Grenzen und die seien von der Menschenwürde bestimmt. „Wenn führende Rechtsextremisten auf dem Marktplatz sind, dann engagieren wir uns“, betont er mit Blick auf die Situation im Jahr 2020. Damals hatte die AfD in Sebnitz eine Kundgebung mit dem früheren AfD-Chef in Brandenburg, Andreas Kalbitz, angemeldet. Die Kirchen luden zu einem Friedensgebet ein, beteiligten sich an einer Menschenkette.

Kirchengemeinde organisiert Demo für Demokratie

Wegen des gesellschaftlichen Engagements bekommen die Pfarrer manchmal Gegenwind, auch aus den eigenen Reihen. Doch Gulbins ist überzeugt: „Wo menschenverachtende Parolen gebrüllt werden, dort muss man Position beziehen.“ In diesem Jahr organisierten Kreß und Gulbins zusammen mit der Stadtgesellschaft eine Demonstration in Sebnitz für Demokratie und Menschenwürde. „Wir haben eine Kompetenz, die wir einbringen können und die der Zivilgesellschaft guttut“, findet er.

An der Pirnaer Marienkirche soll unterdessen bald wieder die Regenbogenfahne wehen. Die Kirchgemeinde will sie zum CSD im Juli hissen.

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Kirche ruft zum Widerstand – und alle kommen

Eigentlich sollte in Lehre bei Braunschweig ein Bürgerdialog der AfD stattfinden. Doch dann rief die Kirchengemeinde zum Widerstand auf.

Gegen die Ideologie der Ausgrenzung der AfD hatte sich Lehrte bunt geschmückt. „Nächstenliebe“ künden bunte Buchstaben auf dem Plakat der Kirchengemeinde Lehre-Brunsrode.

Gegen die Ideologie der Ausgrenzung der AfD hatte sich Lehrte bunt geschmückt

von Sven Kriszio

Der Kampfgeist ist der Pastorin auch Tage später noch anzumerken. „Wir standen im Regen und haben die Pfeifen ausgepfiffen“, sagt Lena Stark. Rund 300 Demonstrierende hatten am Dienstag vergangener Woche den Weg zur Börnekenhalle am Ortsrand von Lehre gesäumt, Plakate mit der Aufschrift „Wir sind die Brandmauer“ hochgehalten, Fahnen gegen Nazis geschwenkt und damit ihren Protest gegen die AfD zum Ausdruck gebracht. „Wir waren voll der große Haufen. Das hatte ich gar nicht erwartet“, so die 44-jährige Theologin.

Ursprünglich wollte die in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei in dem kleinen Ort nordöstlich von Braunschweig einen „Bürgerdialog“ abhalten. Doch den habe sie vorzeitig abgebrochen, erzählt Stark. „Das ist ein Riesenflop für die gewesen.“ Von den angekündigten drei Bundestagsabgeordneten der AfD seien nur zwei gekommen, und teilgenommen hätten auch weniger als 50 Interessierte. Die Pastorin freut sich über diesen Erfolg, der unter anderem auch ihrer Initiative zu verdanken ist.

“Die Leute von der AfD sind brandgefährlich”

Zwei Tage vorher hatte die Kirchengemeinde Lehre zu einem eigenen Bürgerdialog eingeladen, um über die Umtriebe der „Neuen Rechten“ und der AfD aufzuklären. Als Referentin war die Juristin und Publizistin Liane Bedarz zu Gast. „Die Kirche war mit rund 150 Leuten so voll wie sonst nur an Weihnachten“, sagt Pastorin Stark.

Dass die Kirchengemeinde zum Widerstand gegen rechts aufruft, ist für die Pastorin eine Selbstverständlichkeit. Angesichts der jüngsten Wahlergebnisse und des Erstarkens der Rechtsextremen dürfe man nicht schweigen. „Viele Menschen unterschätzen die AfD. Aber diese Leute sind brandgefährlich“, betont Lena Stark. „Wir müssen klare Kante zeigen und denen unsere eigenen Werte entgegenstellen.“ Und so sei die Kirchengemeinde Lehre-Brunsrode wohl die erste in der Geschichte der Landeskirche Braunschweig, die eine Demonstration angemeldet habe, vermutet die Pastorin.

“Es ist toll, wenn sich so viele zusammentun”

Unterstützung für diese Initiative habe sie jedoch nicht nur durch Kirchenleute und Landesbischof Meyns erfahren, sondern auch bei Parteien, dem Sportverein „VFL Lehre“, der Initiative „Willkommen in Lehre“ und einzelne Personen, erzählt Stark. „Es ist toll, wenn sich so viele Menschen mit so unterschiedlichen Vorstellungen zusammentun.“ So habe der Gemeinderat die Börnekenhalle vorübergehend in „Regenbogenhalle“ umbenannt. Andere Engagierte hatten sich vorab zum Basteln in der Kirchengemeinde getroffen und den Ort mit bunten Wimpeln und Plakaten herausgeputzt.

„Wir wollen solidarisch zusammenleben“, sagt Lena Stark. Weder die AfD noch der starke Regen am Tag der Demo könnten das ändern.

Wie Rechts-Populisten immer mehr an Einfluss in unserer Gesellschaft gewinnen - und leider auch etablierte demokratische Parteien darauf hereinfallen! Auch die Bezahlkarte für Flüchtlinge ist hierfür ein Beleg.

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© NEZ, 1.3.2024

 

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ALTBISCHOF DRÖGE IM GESPRÄCH

Christen und Rechtsextreme: „Der Kontrast könnte nicht größer sein“

Markus Dröge fordert von der Evangelischen Kirche, sich aktiv gegen Rechtsextremismus zu wenden. Sie müsse einen „bedeutsamen und wirksamen Beitrag“ zur Stärkung der Demokratie leisten, sagte der EKD-Altbischof im Gespräch. Menschenverachtende Haltungen seien mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens unvereinbar. Die AfD sei nicht wählbar.

Von Julia Pennigsdorf                                                        Sonntag, 03.03.2024,

Der Protest gegen rassistische, antisemitische und minderheitenfeindliche Einstellungen wächst – ebenso wie das Bewusstsein, dass Demokratie und Menschenrechte geschützt werden müssen. Markus Dröge, Vorstandssprecher der in Berlin ansässigen Stiftung Zukunft, fordert von der evangelischen Kirche, sich aktiv gegen Rechtsextremismus zu wenden. Sie müsse einen „bedeutsamen und wirksamen Beitrag“ zur Stärkung der Demokratie zu leisten, sagte der einstige Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz im Gespräch.

Herr Dröge, was muss Kirche tun, um in diesen Zeiten Haltung zu zeigen?

Markus Dröge: Sich klar, eindeutig, mutig positionieren. Das gilt für Kirchenleitende ebenso wie für die Basis. Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Erklärung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und die Ausführungen der EKD-Ratsvorsitzenden, Kirsten Fehrs, die unmissverständlich gesagt haben, dass völkisch-nationale Gesinnungen und menschenverachtende Haltungen mit den Grundsätzen des christlichen Glaubens unvereinbar und rechtsextreme Parteien wie die AfD nicht wählbar sind.

Wie würden Sie diese Haltung begründen?

Für Christen steht das Evangelium im Zentrum, die Tugenden „Glaube, Liebe, Hoffnung“. Es geht um Vertrauen, Solidarität, Gerechtigkeit, darum Schwächeren zu helfen, konstruktiv zu sein, im sachlichen, respektvollen Diskurs Lösungen zu finden. Rechtspopulisten setzen dagegen auf Misstrauen, Egoismus, Ausgrenzung. Sie appellieren an niedrigste Instinkte. Der Kontrast könnte größer nicht sein.

Der respektvolle Austausch unterschiedlicher gesellschaftlicher Positionen gelingt immer seltener. Welchen Beitrag kann die Kirche für einen toleranten, lösungsorientierten Umgang miteinander leisten?

„Kirche darf menschenverachtenden, diskriminierenden Positionen niemals ein Forum bieten.“

Ich kann Kirchengemeinden nur ermutigen, Debatten zu kontroversen Themen anzubieten. Es sollte den Initiatoren dieser Dialogformate aber klar sein, dass diese Diskussionen gut durchdacht und vorbereitet sein müssen. Das gilt insbesondere für den Diskurs mit Rechtspopulisten. Kirche darf menschenverachtenden, diskriminierenden Positionen niemals ein Forum bieten. Hat sich jemand bereits entsprechend geäußert, so darf er nicht eingeladen werden.

Eine stringente Gesprächsführung muss gewährleisten, dass konkret und sachlich debattiert wird. Ziel muss es sein, Widersprüche aufzudecken, populistische Aussagen und Fake News zu entlarven. Nehmen Sie etwa die Agrardiesel-Subventionen. In ihrem Programm schreibt die AfD, dass sie Subventionen generell ablehnt, das hindert sie aber nicht, öffentliche Gelder für die Landwirtschaft zu fordern. Oder die Rentenpolitik der AfD: Fachleute haben ausgerechnet, dass dann 40 Prozent der Menschen über ein Alter von 70 Jahren hinaus arbeiten müssten. Diese Gegensätze und Widersprüche müssen aufgedeckt werden.

Ich hoffe auch sehr, dass sich der Kirchentag im kommenden Jahr in Hannover den Themen Rechtsextremismus und wehrhafte Demokratie annimmt und die Frage stellt: „Wie positionieren sich die Christen?“

Es gibt immer wieder Vorwürfe von Menschen, die meinen, Kirche sei zu politisch geworden, es gehöre nicht zu ihrer Aufgabe, sich politisch einzumischen. Was entgegnen Sie?

Ich begründe es mit unserem Auftrag und unserem Bekenntnis – konkret mit der Barmer Theologischen Erklärung, jenem Bekenntnistext der bekennenden Kirche der 1930er Jahre, mit dem die bekenntnistreuen Christen sich im Jahr 1934 gegen die Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus und damit auch gegen die sogenannten „Deutschen Christen“ gewehrt haben. In These fünf der Barmer Erklärung heißt es, es sei die Pflicht der Kirche „die Regierenden und Regierten“ an „Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit“ zu erinnern. Wenn eine Partei die Menschenwürde und die Werte des Grundgesetzes nicht achtet, sich anschickt, unsere Demokratie zu unterwandern, dann muss Kirche das anmahnen. Kirche soll keine Politik machen, aber sie muss menschenwürdige Politik möglich machen. (epd/mig)

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