Die Gaspreise sind aufgrund der Ukraine-Krise stark gestiegen. Einige Experten gehen sogar von einer Verdreifachung der Gaspreise aus. Aus diesem Grund werden hohe Nachzahlungen erwartet. Was viele nicht wissen: Wer in finanzielle Schwierigkeiten gerät, kann einen Hartz-IV-Antrag stellen, auch wenn er oder sie berufstätig sind.
Hartz IV Anspruch für Erwerbstätige
Ingrid K verdient in ihrem Altenhilfe-Job 1700 Euro und ist alleinstehend. Der Energieversorger schickt eine Nachzahlungsforderung in Höhe von 700 Euro, die im Monat Oktober fällig wird. Vielen Betroffenen ist nicht bewusst, dass sie in dem Monat der Fälligkeit einen Anspruch auf Hartz IV haben. Denn es findet eine Unterschreitung des Existenzminimums statt.
Das muss beachtet werden
„Sie muss aber den Antrag beim Jobcenter im Monat der Fälligkeit der Nachzahlung stellen, danach ist es zu spät“, erläutert Harald Thomé von der Erwerbslosenberatungsstelle Tacheles e.V. gegenüber der “TAZ”.
Thomé wie auch weitere Vertreter von Sozialverbänden rechnen vor, dass eine einmalige hohe Gasrechnung aufgrund einer Nachzahlung einen Hartz-IV-Anspruch in dem betreffenden Monat auslösen, auch wenn die Betroffenen ansonsten keinen Anspruch hätten.
Der Antrag muss dann beim Jobcenter gestellt werden. Die Behörde ist verpflichtet bei einer Unterschreitung der Armutsgrenze einzuspringen. Denn die Leistungsbehörden müssen Miet- und Heizkosten zahlen. Dazu gehören auch Nachzahlungen der Heizkosten, wenn diese “im angemessenen Rahmen” liegen.
Christoph Krüßmann, Berater beim Stromspar-Check der Caritas in Konstanz rechnet damit, dass viele Haushalte “bis weit in die Mittelschicht” einen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen aufgrund von hohen Nachzahlungen erwirken könnten.
Hartz IV Antragswesen vereinfacht
Viele scheuen allerdings den Weg zum Jobcenter. Einerseits aus Scham und andererseits aufgrund des komplizierten Antragswesens.
Allerdings ist derzeit die Antragstellung etwas erleichtert. Denn in den ersten zwei Jahren des Leistungsbezuges wird laut aktueller Gesetzeslage darf die Angemessenheit der Wohnkosten keine Rolle spielen. Auch das Vermögen wird zunächst nicht angerechnet, soweit es nicht 60.000 Euro eines Single-Haushaltes übersteigt.
Zudem können Rentner und Rentnerinnen beim zuständigen Sozialamt einen vorübergehenden Antrag auf Grundsicherung im Alter stellen, wenn sie ebenfalls von einer hohen Nachzahlung betroffen sind.
Besser keine Ratenzahlung vereinbaren
Die Verbraucherzentralen weisen zwar auf einen möglichen Hartz-IV-Anspruch hin, allerdings raten die Verbraucherschützer auch zu einer Ratenzahlung. Man solle hierzu den Versorger darum bitten.
Werden die Raten allerdings auf mehrere Monate verteilt, rutschen die Betroffenen auch nicht unter die Armutsgrenze. Das bestätigt auch Krüßmann:
„Wenn Gasversorger und Vermieter hohe monatliche Abschläge für die höheren Energiekosten fordern, sollte man dem als Mieter nicht zustimmen, weil man damit die Möglichkeit der einmaligen Unterstützung durch das Jobcenter, die nur bei Fälligkeit einer hohen Nachzahlung in einem Monat möglich ist, vergibt“.
Denn laut eines Urteils des Bundessozialgerichts (Az: B14AS20/18R) dürfen Jobcenter eine Nachzahlung nicht auf das gesamte Jahr aufrechnen, weil dann die Betroffenen die Nachzahlung aus eigenen Mitteln tragen müssten.
Hartz IV Beziehende sollten Nachzahlung beim Jobcenter einreichen
Wer sowieso Hartz IV Leistungen bezieht, sollte die Nachzahlung beim zuständigen Jobcenter einreichen. Die Heizkosten werden von den Jobcentern übernommen, wenn der Verbrauch “angemessen” ist. Das heißt, dass der Verbrauch in etwa dem Durchschnitt in der Region entsprechen muss. Hierbei werden auch aktuellen die Preissteigerungen berücksichtigt.
“Unser Sozialstaat funktioniert über Rechtsansprüche und nicht nach Kassenlage. Sie haben einen Anspruch darauf, dass das Jobcenter angemessene Wohnkosten und angemessene Heizkosten übernimmt. Das heißt: Sie können keine Heizkosten vom Jobcenter bezahlen lassen mit einer eingebauten Sauna, die sie jeden Tag benutzen. Das geht natürlich nicht,” sagt Markus Mempel, Sprecher des Deutschen Landkreistages.
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