"Mich zieht es in die Höhe und es war schon immer mein Traum, so frei fliegen zu können wie ein Vogel", sagt der 63-jährige Cadenberger Kai Rudl, während er seinen Blick über die Felder am Fuße des Bullenbergs in Lamstedt schweifen lässt. Um sich seinen Traum erfüllen zu können, hat sich der Kirchenmusiker ein Hobby gesucht, das sich fürs flache Land - wie das Cuxland - eher weniger eignet. Zumindest ist das der erste Gedanke, wenn Kai Rudl sagt, dass er Drachenflieger ist.
Eigentlich träumt Kai Rudl schon sein Leben lang davon, in luftige Höhe zu steigen. Es war sein Kindheitstraum. Doch erst mit 50 Jahren hat er sich so richtig mit dem Thema beschäftigt und überlegt, wie er sich "frei wie ein Vogel" fühlen kann. Er entdeckte das Fallschrimspringen für sich. "Das habe ich dann ganz oft gemacht, fast bis zur Lizenz." Doch der freie Fall, bei dem er mit 200 Metern pro Sekunde Richtung Boden raste, reichte dem heute 63-Jährigen irgendwann nicht mehr. Das Fliegen beziehungsweise Gleiten fehlte ihm beim Fallschirmspringen. "Ich habe etwas gesucht, bei dem ich mehr fliegen kann." Doch was gibt es noch, außer Fallschirmspringen?
Lizenz zum Drachenflieger erlangt
Der Cadenberger hörte sich um und stieß aufs Drachenfliegen. "Davon hatte ich bis dahin nichts gehört." Da das Cuxland nicht unbedingt fürs Drachenfliegen bekannt ist, suchte er sich eine Flugschule in Berlin, um die Lizenz zum Drachenflieger zu erlangen. Ganz so einfach ist das allerdings nicht. Zuerst einmal standen jede Menge Tandemflüge (also ein Flug, bei dem der Lehrer dabei ist) an. "Dort habe ich dann gelernt, die Höhe, das Tempo und die Richtung zu kontrollieren - all das macht man mit seinem eigenen Körpergewicht." Als es dann an den ersten Flug ohne Fluglehrer ging, war Kai Rudl ziemlich aufgeregt. "Ich war zwar per Funk noch mit dem Lehrer verbunden, aber plötzlich für alles selbst verantwortlich." Alles lief reibungslos und die Leidenschaft, mit einem Drachen durch die Lüfte zu fliegen, wuchs.
Wie ein Vogel
"Beim Drachenfliegen fühlt sich mehr danach an, wie ein Vogel zu fliegen." Deshalb kam auch kein Gleitschirmfliegen für ihn in Frage. "Ich wollte möglichst viel Freiheit beim Fliegen. Mein Kindheitstraum war es, zu fliegen wie ein Vogel. Und der Drachen kommt dem am nächsten. Beim Drachenfliegen wird man gefordert und man muss aufpassen. Fehler werden sofort bestraft." Kai Rudl, der seit acht Jahren im Besitz einer Lizenz zum Drachenfliegen ist, hatte bisher glücklicherweise noch keinen Absturz. Er ist Vereinsmitglied im Deutschen Gleitschirm- und Drachenflugverband Weser in Holste-Hellingst (Landkreis Osterholz-Scharmbeck). Hier versucht er regelmäßig Zeit zu verbringen, denn Drachenflieger dürfen nur von offiziellen Flugplätzen aus an den Start gehen. Und ja, sie können auch vom Flachland aus in die Höhe steigen.
Fliegen auch im Flachland
Es gibt verschiedne Arten, um mit einem Drachen ins Fliegen zu kommen. Zum einen können Drachenflieger von einem Berg aus starten, zum anderen können sie mit Hilfe einer Windenschleppe starten. Diese Methode wird im Flachland genutzt. "Die Winde wird in einer Entfernung von 1200 Metern positioniert und ist mit dem Drachenflieger verbunden. Der wird dann von der Winde hochgezogen." Ist der Drachenflieger hoch genug, klingt er sich aus und fliegt alleine weiter.
"Man muss bei diesem Sport hellwach und aufmerksam sein, damit keine Fehler passieren. Angst habe ich nicht, die Euphorie beim Fliegen überwiegt." Auch vor dem eigentlichen Flug muss Kai Rudl alle sicherheitsrelevanten Komponenten wie die Leinen, Seiten-Trapezrohere oder das Segel an seinen Drachen kontrollieren.
"Das Drachenfliegen nimmt viel Zeit in Anspruch. Ich schaffe es deshalb nur etwa einmal im Monat zu fliegen. Am Bullenberg in Lamstedt übe ich deshalb die Starts, um heile in die Luft zu kommen. Der Wind muss passen und ich muss denn Drachen in den richtigen Winkel bringen. Ist der nicht richtig, kann der Drachen mich auch zu Boden reißen." Und das kann mit solch einem großen und unhandlichen Fluggerät durchaus unangenehm werden. Der Drache - oder Hängegleiter, wie er in offizieller Sprache auch genannt wird - von Kai Rudl wiegt 25 Kilogramm und ist 16 Quadratmeter groß. Kostenpunkt: mehr als Tausend Euro. Nach oben gibt es keine Grenzen.
Drachenfliegen ist bis ins hohe Alter möglich
Damit Kai Rudl noch lange fliegen kann, hält sich der 63-Jährige mit Radfahren, Schwimmen und Joggen fit. "Dann kann man das Drachenfliegen bis ins hohe Alter machen." Einen Wunschort, an dem er gerne mal in die Lüfte gehen würde, hat der Cadenberger zwar nicht, aber er reist mit seinem Drachen gerne auch mal ins Ausland, um dort von Hängen und Bergen aus zu fliegen. Besonders gefällt ihm der Berg Lijak in Slowenien. © NEZ
Und hier ein paar Fotos von Kai in den Lüften: