Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Flüchtlingspolitik seiner Regierung gegen Kritik verteidigt. Es gebe Grundprinzipen, die unverrückbar gelten müssten, sagte Scholz in Berlin. „Jemanden aufzunehmen, der flieht
vor Verfolgung und Krieg, ist ein Gebot der Menschlichkeit“, sagte der Kanzler. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass nicht jeder vor Krieg und Verfolgung fliehe. Scholz äußerte sich beim
Johannisempfang der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bei dem die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus heftige Kritik am Kurs
der Regierung übte.
„Nicht jedem, der in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland kommt, kann Deutschland ein solches Leben auch ermöglichen“, sagte Scholz. Dies gelte es zu berücksichtigen, gerade wenn
man Flüchtenden in Not auch in Zukunft helfen wolle. „Nur so erhalten wir die Zustimmung dafür, dass Deutschland Zuwanderung braucht“, sagte er.
„Kein
kleinster gemeinsamer Nenner“
Die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus hatte in ihrer Festrede beim traditionellen Jahresempfang ihrer Kirche den Kompromiss der EU-Innenminister
für ein gemeinsames europäisches Asylsystem zuvor scharf kritisiert. Europa habe „den kleinsten gemeinsamen Nenner in der Migrationsfeindlichkeit gesucht und gefunden“, sagte Kurschus. „Ich muss
es tatsächlich so hart formulieren“, ergänzte sie.
Die Innenministerinnen und Innenminister der EU-Staaten hatten sich Anfang Juni auf Grundzüge eines gemeinsamen Asylsystems geeinigt. Die Bundesregierung stellt heraus, dass damit erstmals ein
verbindlicher Solidaritätsmechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen in Sicht ist. Der Kompromiss sieht aber auch sogenannte EU-Grenzverfahren vor, die nach Auffassung von
Flüchtlingsorganisationen dazu führen könnten, dass Tausende Schutzsuchende in Lagern unter haftähnlichen Bedingungen ausharren müssen, bis ihr Anliegen geprüft ist.
Die Kirche könne und wolle sich nicht mit dem zufriedengeben, „was die EU auf Regierungsebene als einen verheißungsvollen Neuansatz in der gemeinsamen Migrationspolitik bezeichnet“, sagte
Kurschus unter Applaus vieler der anwesenden Gäste aus Religionsgemeinschaften, Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen. Abschottung und eine Rhetorik, die Angst verbreite, „spielen
denen in die Hände, die Probleme bewirtschaften wollen, statt sie zu lösen“, sagte Kurschus.
Weitere Politiker zu Gast
Zu dem Empfang in der Französischen Friedrichstadtkirche waren mehrere hundert Gäste gekommen, darunter Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang,
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), zahlreiche Bundestagsabgeordnete und prominente Vertreter anderer Religionsgemeinschaften.
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